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Über Heimito von Doderer – Alexandra Kleinlercher im Gespräch mit Wolfgang FleischerAls Sekretär bei Doderer |
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A.K.: Wie haben Sie Heimito von Doderer kennen gelernt? W.F.: Ich war siebzehn, also in der siebenten Klasse Gymnasium, als er bei den Sozialistischen Studenten eine Lesung hatte. Ich bin hingegangen und wollte nachher, wie etliche andere Leute auch, ein Autogramm oder eine Widmung. Entweder hat er mir damals angeboten, mich an ihn zu wenden, oder ich habe ihm geschrieben, so genau weiß ich es nicht mehr. Jedenfalls habe ich ihn dann so ein, zwei Mal im Jahr gesehen - er hat sehr viel Wert auf junge Leser gelegt - ich war damals durchaus begeistert, und er war, das kann man glaube ich heute sagen, er war zu der Zeit der größte Schriftsteller Österreichs. Natürlich habe ich ihm nie auf die Nase binden dürfen, daß mir Musil besser gefällt. Das habe ich früh gemerkt, schon damals mit siebzehn oder achtzehn, habe ich ihn, als er von allen möglichen Leuten erzählt hat, nach Musil gefragt und ob er ihn auch gekannt hat. Daraufhin hat er sofort ganz angewidert das Gesicht verzogen und gesagt, ja der saß im Café Herrenhof am Nebentisch und hatte eine unangenehm „hellgelbe Stimme“. Ich habe ihn gefragt, Herr von Doderer, was ist eine hellgelbe Stimme, bitte? Daraufhin er „Wie eine verstopfte Trompete!“. Da wußte ich, Musil darf ich nie wieder erwähnen. A.K.: Wie war Ihr Kontakt mit Heimito von Doderer, als Sie von 1963 bis 1966 als Sekretär für ihn gearbeitet haben? W.F.: Das war eigentlich immer sehr angenehm. A.K.: War er da auch so „dunkel“, in seinen Aussagen, so rätselhaft wie er es in seinen theoretischen Schriften ist? W.F.: Er hat gerne erzählt. Natürlich weil es auch mit seiner Arbeit zusammenhing; er hat gerne von Sibirien, wo er von 1916 bis 1920 Kriegsgefangener war, erzählt. [Während seiner Dienstzeit in Bad Vöslau 1943 suchte Heimito von Doderer gemeinsam mit seiner Truppe, ein möglichst gedecktes Gebiet mit Badeplatz auf; statt den vorgeschriebenen militärischen Übungen, konnte dort jeder machen was er wollte; daher seine Bezeichnung „Tachinieren im Verband“] A.K.: Kann man dem Vertrauen schenken? W.F.: Ich halte es durchaus für möglich. Er hat sich nicht wirklich auf ein Gespräch eingelassen, wenn man ihn nach dieser Zeit gefragt hat, sondern ist mit fertigen Geschichten gekommen, immer denselben. Genauso wie seine Theorie dazu geführt hat, daß er zu irgendeinem Thema angesprochen, mehr oder weniger druckfertig Sachen gesagt hat, die genau in dieser Theorie schon längst präformuliert waren. Das waren alles Sätze, die er in geringfügigen Abwandlungen schon mehrfach geschrieben und publiziert hatte. Bekam man spontane Äußerungen von ihm zu hören, dann waren das wirklich nur Banalitäten. Daß er immer gerne geschweinigelt hat und ähnliches. Das ist dann hie und da recht erholsam, wenn jemand sonst immer druckreif redet. Aus seinem Leben hat er sehr oft die Geschichte erzählt, wie er, schon 1938 zu Maria [seiner zukünftigen zweiten Frau] sagt, „Maria, es gibt Krieg“ oder sogar „Maria, wir haben den Krieg schon verloren“. Und sie hat gefragt, „Welchen Krieg?“ Es waren immer wieder dieselben Anekdoten. Aber wenn man heute das Ganze überblickt: daß er über irgendeine Frage nachgedacht oder etwas Neues gesagt hätte, das war einfach nicht der Brauch. Sonst war diese Zusammenarbeit recht angenehm. Ich bin zwei, drei Mal in der Woche neben dem Studium um fünf Uhr am Nachmittag zu ihm gekommen. Meistens haben wir eine Stunde getratscht, zum Teil auch über die Korrespondenz natürlich, von sechs bis acht Uhr habe ich ein paar Briefe für ihn geschrieben, und dann sind wir im Allgemeinen ins Wirtshaus gegangen. Meistens hat man dort irgendjemanden getroffen, Hans Weigel, Xaver Schaffgotsch, Helmut Qualtinger und andere. Das war recht gesellig. Er hat es auch genossen, wenn er im „Falstaff“ im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand, in diesen letzten Jahren. Hans Weigel brachte auch bekannte Schauspielerinnen mit, wie Annemarie Düringer vom Burgtheater, heute eine Grande Dame. A.K.: In der Zeit, in der Sie ihn gekannt haben, hat man von ihm zwar nicht wirklich etwas erfahren, weil er seine vorgefertigten Sätze hatte, aber er war nicht unangenehm? W.F.: Er konnte durchaus angenehm sein. Ich habe einen einzigen Brüllanfall von ihm erlebt. Er hat fast eine Stunde lang ununterbrochen geschrien, weil ich ihn gefragt habe, ob ich im Monat statt fünfhundert Schilling, vielleicht fünfhundertfünfzig oder sechshundert bekommen könnte, die ich so dringend gebraucht habe. Ich dachte schon, er stirbt, weil er so einen roten Kopf vom Schreien bekommen hat. Irgendwann habe ich mir überlegt, während er so völlig sinnlos über seine lange Armut und alles mögliche herumgebrüllt hat, ob ich einfach aufstehen und die Wohnung verlassen soll. Aber dann war es aus, und eine Woche später habe ich stillschweigend sechshundert Schilling bekommen.
Copyright © Alexandra Kleinlercher, Berlin 2006. Dieses Interview ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar.
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