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Über Heimito von Doderer – Alexandra Kleinlercher im Gespräch mit Wolfgang FleischerAntisemitismus |
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A.K.: Aber was meinte er mit „ideologischen deutschen Lümmeln“? Er hat diese Eintragung gemacht, nachdem Gusti Hasterlik zu ihm auf Besuch gekommen war, weil er krank war. Anschließend schrieb er über seine Familie, daß die Männer „deutsche ideologische Lümmel“ und die Frauen unfähig zu einer „weitergehenden Differenzierung“ wären. Bezieht er sich hier vielleicht auf eine Reaktion der Familie Gusti Hasterlik gegenüber? W.F.: Es kann durchaus sein, daß es Widerstände gegen Gusti in seiner Familie gab. Lisl Scharmitzer, in deren Garten Doderer an einem Nachmittag mindestens fünf bis sieben Stunden lang seinen ganzen Roman „Das Geheimnis des Reichs“ vorgelesen hatte - 1929 muß das gewesen sein - hat mir erzählt, daß von den elf oder zwölf geladenen Gästen die Mehrheit Juden waren. Die alte Scharmitzerin, sie war eine sehr alte Dame, sehr resolut, als ich sie interviewte, hat völlig ungeniert gesagt: „Das war ja nicht auszuhalten, so viele Juden auf einmal im Garten“. A.K.: Wie verstehen Sie Doderers Antisemitismus? 1922 kritisiert er zwar in seinem Tagebuch den „bornierten Antisemitismus“ seiner Schwester, aber bereits 1926, 1927 wirft Gusti Hasterlik Doderer in ihren Briefen Antisemitismus vor? Wissen Sie, wie es zu diesem Wandel gekommen ist? Warum ist er zum Antisemiten geworden? W.F.: Mein Eindruck ist, daß das sehr mit den Streitereien mit Gusti zusammenhing. A.K.: Man könnte aber ganz im Gegenteil vermuten, daß jemand, der mit einer jüdischen Frau zusammen ist, kein Antisemit ist, da er selbst feststellen kann, daß es sich um Vorurteile handelt. Seine Probleme mit Gusti Hasterlik sind ja nicht darauf zurückzuführen, daß sie jüdischen Ursprungs war, sondern es handelte sich offensichtlich um Beziehungsprobleme. W.F.: Außerdem hat er ihren Vater doch ziemlich geschätzt; der muß auch ein großartiger Mensch gewesen sein. A.K.: Wie war das nach dem Krieg? War Heimito von Doderer dann noch Antisemit? W.F.: Sicher nicht. Sollte er noch antisemitische Neigungen gehabt haben, dann hat er diese sehr gründlich verborgen. Aber, ich glaube nicht, daß er die Naziideologie, zum Beispiel die Rassentheorie sehr ernst genommen hat. Ich würde sagen, die Rassentheorie ist in Wien, überhaupt schwerer anzubringen als irgendwo in Norddeutschland. Das hat ihn auch nicht interessiert. Für ihn war die Faszination, die er mit Gütersloh geteilt hat, eine mythologische.
Copyright © Alexandra Kleinlercher, Berlin 2006. Dieses Interview ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar.
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