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Über Heimito von Doderer – Alexandra Kleinlercher im Gespräch mit Wolfgang FleischerDoderer, Halbstarke und Altvordere |
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A.K.: Im Unterschied zu anderen Schriftstellern oder Kulturschaffenden seiner Generation war Doderer doch aufgeschlossener für die jüngere Generation von Schriftstellern. Andere sind über die jüngere Generation hergezogen, haben ihnen zum Vorwurf gemacht, nach Deutschland zu gehen, oder haben sie als Nestbeschmutzer beschimpft. Das hat Doderer nicht gemacht. W.F.: Aber auch da ist ein Kalkül dahinter. Er hat mir einmal gesagt, daß ihm ein siebzehnjähriger Leser lieber ist als hundert Sechzigjährige, weil ihn die jungen Begeisterten in die Zukunft bringen und nicht die Alten, die das nur aus Nostalgie lesen. A.K.: Sie meinen, er hat die Jungen nur aus Eigeninteresse gefördert? W.F.: Ja, bis zu einem gewissen Grad schon. Dorothea Zeemann hat behauptet, daß sie Doderer die Unterstützung Artmanns, Rühms usw. eingeredet hätte. Davon bin ich nicht ganz überzeugt: Doderer konnte so gewisse Gedichte, vor allem die ordinärsten, auswendig und sagte sie immer wieder mit Begeisterung allen möglichen Besuchern auf. Eines seiner Lieblingsgedichte war von Rühm „bei der heisldia“. A.K.: Wissen Sie, ob er Ilse Aichinger gekannt hat? Oder Ingeborg Bachmann? W.F.: Ingeborg Bachmann war einmal in den frühen 50er Jahren bei Doderer. Da ist dann das Peinliche passiert, daß er ihr Romanmanuskript, das nur in einer Fassung vorlag, an den Biederstein-Verlag weitergegeben hat, und dieses Manuskript ist verloren gegangen. Ilse Aichinger hat er wohl kaum gekannt. Allerdings lernte man in Wien, im Palais Pallavicini damals bei den Lesungen praktisch jeden kennen, der in der literarischen Szene war. Ich traue mich daher zu sagen, daß er sie gekannt hat, ohne es zu wissen gewissermaßen. Nähere Beziehung gab es keine. Eine Beziehung, wenn auch nicht sehr nahe, gab es zu Gerstl und Wiesinger, die hat er, wenn er sie im Kaffeehaus getroffen hat, immer an seinen Tisch eingeladen. So habe ich das damals jedenfalls im Hawelka erlebt. A.K.: Zum Erfolg Doderers als Schriftsteller. Viele österreichische Schriftsteller mussten - und müssen - nach Deutschland gehen, um überhaupt eine Chance auf Erfolg zu haben. Über den Erfolg in Deutschland hatten sie dann später auch Erfolg in Österreich. War das bei Doderer auch so oder hatte er unabhängig davon, daß er Erfolg in Deutschland hatte, auch Erfolg in Österreich; oder war der Erfolg in Deutschland nicht so groß? W.F.: Das war absolut gleichzeitig mit dem Erscheinen der Strudlhofstiege und diesen Monsterlesetouren, die er in Österreich und Deutschland gemacht hat. Das hat er immer sehr ernst genommen, die Selbstwerbung sozusagen. A.K.: Man hat also in Österreich nicht abgewartet, ob er nun in Deutschland Erfolg hat oder nicht. W.F.: Nein. Man könnte schon fast sagen, es war ein Bedürfnis nach einem Staatsdichter da. Wen gab es denn damals auch schon? Max Mell und diese alten Herren, auch Franz Theodor Csokor. Alle saßen tatterig herum und meinten, eine große Rolle im österreichischen Kulturleben zu spielen, aber in Wirklichkeit haben sie sich durchlaviert und überall und in jedem Wirtshaus „zugschnallt“. A.K.: Nach den Bombenattentaten in Südtirol hat er gemeinsam mit anderen ein Schreiben veröffentlicht, in dem er sich von den Attentaten distanziert. Das war ja eigentlich nicht zeitgeistig? Wieso hat er das gemacht? W.F.: Er ist aufgefordert worden und hat mitgemacht. A.K.: Also nicht aus Überzeugung? W.F.: Ideen zur Tagespolitik hatte er überhaupt keine. A.K.: Und trotzdem ist Doderer als Schriftsteller gut, ich denke, jemand, der nur auf Ruhm aus ist, könnte nicht so schreiben. W.F.: Er ist sehr gut und er war auch vor allem - und darauf war er immer stolz - unerhört fleißig. Die Strudlhofstiege und daß er bis 1956 Die Dämonen fertig machte, das ist eine ungeheure Leistung. Ich finde seine Stärke liegt wirklich im Atmosphärischen, im Feinen. Ich meine nicht, daß es nur Kalkül ist. Allerdings: man darf Kalkül bei ihm nicht ausschließen.
Copyright © Alexandra Kleinlercher, Berlin 2006. Dieses Interview ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar.
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