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Martin Brinkmann: "Es gibt keine lustige Musik" - Musik und Melancholie im Frühwerk Heimito von Doderers, dargestellt anhand der "Divertimenti" |
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Martin Brinkmann: "Es gibt keine lustige Musik" - Musik und Melancholie im Frühwerk Heimito von Doderers, dargestellt anhand der "Divertimenti" (Phil. Diss. im Entstehen, Universität Bremen). Das Frühwerk Heimito von Doderers - insbesondere die erst seit 1972 vollständig im Druck vorliegenden „Divertimenti“ - ist noch weitgehend unerforscht. Allein das „Divertimento No VII: Die Posaunen von Jericho“ - dieses von Doderer selbst mit am höchsten geschätzte Stück Eigenliteratur, das, da erst 1951 entstanden, eigentlich gar nicht mehr zum Frühwerk gezählt werden kann - schaffte es, aus dem Schatten der beiden Riesenromane Die Strudlhofstiege und Die Dämonen herauszutreten und zu einer relevanten Anzahl literaturwissenschaftlicher Untersuchungen und Aufsätze zu animieren. Die zur Zeit entstehende Dissertation mit dem Titel "'Es gibt keine lustige Musik' - Musik und Melancholie im Frühwerk Heimito von Doderers, dargestellt anhand der 'Divertimenti'", die, betreut von Prof. Dr. Wolfgang Emmerich und Prof. Dr. Hans Wolf Jäger, an der Universität Bremen entstehen wird, hat es sich zum Ziel gesetzt, eine umfassende Untersuchung der sieben Dodererschen „Divertimenti“ zu leisten. Hierbei soll insbesondere der Begriff „Divertimento“ einer intensiven kritischen Prüfung unterzogen werden: Als Textgattung ist das „Divertimento“ bekanntlich eine Schöpfung Doderers. Den fachlichen Terminus für diese neue literarische Form entlehnte der junge Autor aus der Musikgeschichte. Vereinfacht gesagt wird mit dem Begriff Divertimento eine höfische und bürgerliche instrumentale Unterhaltungsmusik des 18. Jahrhunderts bezeichnet, suitenähnlich komponiert, von leichter, heiterer Art. Insgesamt aber verhält es sich jedoch so, daß die einschlägigen Musiklexika mit dem Versuch einer annähernden Bestimmung des Divertimento sichtlich Schwierigkeiten haben. Gerade bei einem Autor, der sich, so Wendelin Schmidt-Dengler im Nachwort zu den Commentarii 1951 - 1956, in seinem Schaffen immer der „Priorität der Form vor den Inhalten“ (S. 570) verpflichtet fühlte, besteht bei den folgenden Fragen zweifellos Klärungsbedarf: Was ist eigentlich ein literarisches „Divertimento“? Was zeichnet es aus? Was kann es leisten? Worin unterscheidet sich ein „Divertimento“ von gattungstypischen Erzählungen? Gibt der formale Rahmen, die literarische Konstruktion analog zu einem musikalischen Divertimento, dem Erzählten tatsächlich eine neue, eine besondere Qualität? Ist es überhaupt sinnvoll, musikalische und literarische Strukturen zu vergleichen? Außerdem könnte man fragen, wie aus einem „Divertimento“ beim Schreiben ein Roman (Das Geheimnis des Reichs) werden kann? Und wieso der Autor seine Erzählung Das letzte Abenteuer als „kleines ‚Divertimento‘“ bezeichnet (so in einem Brief an Armin Mohler vom 14. Oktober 1953)? Auch erwähnt Schmidt-Dengler im Nachwort der Erzählungen einen bislang unpublizierten Text Doderers mit dem Titel „Seraphica“, den man durchaus in die zeitliche wie formale Nähe der „Divertimenti“ rücken könnte und der bisher „wegen seines grundlegend anderen Charakters einer Sonderpublikation vorbehalten“ (S. 504) blieb. Eine Untersuchung unter dem Aspekt des mißlungenen „Divertimentos“ wäre demnach ebenfalls denkbar, um auf Basis der Unterschiede, also sozusagen ex negativo, zu erkennen, was genau ein geglücktes „Divertimento“ ausmacht. Auch ein Vergleich der frühen „Divertimenti“ (I - VI) mit dem späten, reiferen „Divertimento No VII“ ist möglicherweise erkenntnisförderlich. Eine andere Frage, die sich nach Erstellung einer Definition des Begriffs „Divertimento“ aufdrängen wird, ist diese: Warum dürfen die Inhalte der Dodererschen „Divertimenti“ vergleichsweise düster und existentiell geerdet sein, während das musikalische Divertimento, das im 17. Jahrhundert (hier findet es sich erstmals in Titeln von Musikdrucken) auch unter der Konkurrenzbezeichnung „Gemüthsergötzung“ bekannt war, möglichst heiter und unterhaltend ist? Die Feststellung, daß es sich bei den „Divertimenti“ um Prosa-Stücke melancholischer Prägung handelt, leitet von der Form des Erzählten zu dessen Inhalt. Hier lautet die Arbeitsthese der geplanten Dissertation: Der gemeinsame Nenner, auf den die sieben „Divertimenti“ thematisch zu bringen sind, ist die Beschreibung depressiver Zustände und depressiv getönter Atmosphären. In allen „Divertimenti“ - wenn nicht in den Figuren, so doch im elegischen Ton des Autors - tritt nämlich jener „rätselhafte ‚Knick‘ im Gemüt“ (Tagebücher 1920 - 1939, S. 12) mehr oder weniger deutlich zutage, den Doderer im Herbst 1920 an sich selbst konstatierte und für den er in späteren Jahren die mangelnde Apperzeptionsfähigkeit verantwortlich machen sollte. Der junge Doderer jedenfalls scheint tatsächlich noch weitgehend „unberührt von der später autortypischen (schicksals-)gläubigen Divination“ - so Martin Loew-Cadonna im Nachwort zu Die sibirische Klarheit (S. 147). Die Beantwortung dieser und anderer Fragen, die sich im Laufe der Arbeit noch stellen werden, soll helfen, einen aufregenden, aber bislang nur spärlich beleuchteten Aspekt des Dodererschen Werkes zu erhellen und interpretativ zu erschließen. Martin Brinkmann Mail an den Autor Erschienen in: Gassen und Landschaften: Heimito von Doderers „Dämonen“ vom Zentrum und vom Rande aus betrachtet. Hrsg. v. Gerald Sommer. Würzburg 2004 (Schriften der Heimito von Doderer-Gesellschaft; 3) , S. 493f. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages. Copyright © Verlag Königshausen & Neumann GmbH, Würzburg 2004. Dieses Exposé ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar.
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