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Engelbert Pfeiffer
(13. Dezember 1913 - 30. Oktober 2007)
Ein Nachruf

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E. Pfeiffer (Foto: privat)Als „ein Sandkorn am Strand der Geschichte“ hat sich Dr. Engelbert Pfeiffer in seinen 2002/03 für die „Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen“ entstandenen Lebenserinnerungen bezeichnet. Angesichts einer solchen Selbstwahrnehmung fällt es schwer, den nun Verstorbenen zu würdigen, ohne innerlich seinen Widerspruch zu hören.

Das Sandkorn wurde zurück ins Meer gespült.

Wo es war, erkennt man eine Lücke.

Sie ist um vieles größer, als Engelbert Pfeiffer es sich je hätte einreden lassen.

Die ausgeprägte Bescheidenheit im persönlichen Umgang war eine der einnehmendsten Eigenschaften Pfeiffers. Hinzu kamen sein bis zuletzt so reger Geist, der starke Wille, eigene Positionen zu hinterfragen, seine wache Neugierde. Und über all dem ein enormer Charme, der – immer angemessen, stets gewitzt, oft ironisch, nie aufdringlich – bestach. Dieser Charme forderte heraus und konnte zum größten Vergnügen werden, wenn man sich auf ihn einließ. Manchmal wurde Freundschaft daraus. Dann hatte man die Ehre, an einem Menschen teilzuhaben, dem bei aller guten Erziehung und „alten Schule“ nichts unkonventionell genug war, um es nicht, wenn man es im stillen Einvernehmen des Übermuts für situativ passend befand, doch in die Tat umzusetzen.

Viele Doderer-Leser durften Pfeiffers Charme kennenlernen, die meisten von ihnen an einem Mittwochvormittag in der Währinger Straße 43 im Bezirksmuseum Wien Alsergrund, wo Pfeiffer über 20 Jahre lang ehrenamtlich die von ihm aufgebaute Heimito-von-Doderer-Gedenkstätte betreute. Es war dies ein eigenes Reich, in dem man gemeinsam mit Pfeiffer ausführliche Gänge in die Romanwelt der „Strudlhofstiege“ oder der „Dämonen“ unternehmen konnte.

Wie kein anderer wußte er über die biographischen und ideengeschichtlichen Hintergründe von Doderers Literatur Bescheid, wie kein anderer beleuchtete er die Details ihrer topographischen Verhältnisse. Stets war er bereit, seine Erkenntnisse mit interessierten Lesern und Kennern, Laien und Wissenschaftern aus dem In- und Ausland zu teilen. Neben seiner Tätigkeit in der Gedenkstätte und den einschlägigen Publikationen – außer einigen Aufsätzen ist vor allem sein 1983 in Eigenverlag erschienenes „Alsergrund-Erlebnis“ zu nennen – wären so vor allem auch seine stillen, selbstlosen Beiträge zu den Arbeiten anderer zu bedenken, um das Ausmaß seines Wirkens auf diesem Gebiet recht zu würdigen. Seine Freigebigkeit als Forscher war respekteinflößend, „Beispiel einer intellektuellen Großzügigkeit, wie man diese nur selten erlebt“ (Wolfgang Fleischer).

Intensiv mit Doderer auseinandergesetzt hat sich Pfeiffer dabei erst in höherem Alter – seine Bildungs- und Berufsbiographie war eine andere: Nach der 1933 im Realgymnasium in der Wiener Albertgasse abgelegten Matura inskribierte der 1913 Geborene klassische Philologie und Philosophie / Psychologie an der Universität Wien. Unter anderem lernte er bei Charlotte und Karl Bühler sowie bei Moritz Schlick (bei dessen Ermordung er Augenzeuge sein sollte). Im November 1939 erfolgte die Promotion, anschließend fünf Jahre Kriegsdienst, den Pfeiffer – wie er in seinen Lebenserinnerungen eindrucksvoll beschreibt – mit Glück und Geschick („Ich hatte Angst“) gänzlich auf Deutschem Reichsgebiet überstehen konnte. Nach dem Zweiten Weltkrieg schloß Engelbert Pfeiffer 1947 mit Rosa Kropil, seiner geliebten „Rosl“, den Bund der Ehe, der bis zu deren Tod im Jahre 1997 währen sollte. Die Ehe blieb kinderlos. 1948, im selben Jahr, als auch die bis zuletzt bewohnte Wohnung in der Döblinger Nußwaldgasse bezogen wurde, begann die Mitarbeit im Landesarbeitsamt Niederösterreich, wo Pfeiffer als Psychologe in der Berufsberatung tätig war. 1975 schied er als Oberrat in den Ruhestand. In die Zeit danach fiel die konzentrierte Beschäftigung mit Doderer – eine zweite Laufbahn. Ihr Keim lag aber doch in der früheren Arbeitsstelle: Ein Neffe Doderers, Wolfgang Stummer, war dort ein Kollege gewesen und hatte Pfeiffer in den Doderer-Kreis eingeführt.

Jener Herr, den ich dann 1999 kennenzulernen die Ehre hatte, der schon länger pensioniert war als ich lebte und der darüber, daß ich als 18-Jähriger nicht eigenmächtig zum Du-Wort griff, recht beleidigt schien, konnte keinesfalls 85 Jahre alt sein. Er war überdies wohl Junggeselle. Nichts hätte mich auf die Idee gebracht, daß er die nächsten zehn Jahre nicht überleben könnte. Der Tod hätte denn auch gar nicht anders als so plötzlich und friedlich kommen können, wie es nun geschehen ist. Wenngleich sich in den letzten drei, vier Jahren doch immer mehr körperliche Gebrechlichkeiten in dieses Leben gemischt hatten: Kreislauf- und Herzprobleme, Stürze und zunehmende physische Schwäche.

Engelbert Pfeiffers Geist aber war bei alledem wacker geblieben, meist auch sein Humor. Daß die Vernachlässigung seiner Doderer-Gedenkstätte durch die Institutionen der Stadt ihm weh tat, konnte man spüren – andererseits hatte er sich von Doderer auch schon halb wieder verabschiedet. „Achtung, diese Figur bewegt sich noch!“ schrieb Wendelin Schmidt-Dengler in der Festschrift zu Engelbert Pfeiffers 90. Geburtstag. Es bezog sich auf Doderer, wäre aber auch auf den Jubilar zu beziehen gewesen. Selbiger sah an seinem fortgeschrittenen Lebensabend noch allerhand andere auf sich warten: Jean Paul, Cioran, auch Fontane stünde noch an, ließ er mich einmal wissen.

Das Sandkorn – es fehlt...

Stefan Winterstein

 

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