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Paola Quadrelli: Controimmagine.

Paola Quadrelli: Controimmagine. Biografia e autobiografia nei primi romanzi di Heimito von Doderer (1924 - 1938). Milano: La Nuova Italia Editrice 1999 (Pubblicazioni della Facoltà di Lettere e Filosofia dell'Università di Pavia; 90). 166 S., Broschur, EUR 26,-

Bisher hat man in Italien mit Heimito von Doderer noch nichts Rechtes anzufangen gewußt. Das mag daran liegen, daß Österreich von Italien immer schon weiter entfernt gewesen ist als Italien von Österreich (kulturgeschichtlich zumindest); das mag freilich auch davon herrühren, daß sich eine derart eigensinnige Sprache wie die Doderers nun einmal nicht adäquat in ein anderes Idiom übertragen läßt, wo die Regionalismen und Neologismen zwangsläufig anders funktionieren. Jedenfalls stellen die wenigen Seiten in Ladislao Mittners längst klassisch gewordener Storia della letteratura tedesca (S. 349 - 354) von 1960 nach wie vor den wirksamsten Referenzpunkt der italienischen Germanistik bei jeder Beschäftigung mit Doderer dar.
Im Anschluß an ein paar Aufsätze und unveröffentlichte Dissertationen (mittlerweile auch schon Kolloquien), in denen sich die italienische Doderer-Philologie zuvor erschöpft hat, versucht nun die in Pavia entstandene und in überarbeiteter Fassung publizierte Magisterarbeit von Paola Quadrelli, dem unerfreulichen Zustand mediterranen Desinteresses abzuhelfen und in ihrer Heimat eine sachgerechte Doderer-Forschung zu initiieren. Inwieweit das gelingen mag, bleibt abzuwarten - der Anfang ist immerhin vielversprechend.
Ihren Ausgang nimmt die Argumentation bei der elementaren Bedeutung von Person und Leben Doderers für sein literarisches Werk: "l'autore ha messo sempre in scena se stesso in un'autobiografia largamente antieroica: le perversioni sessuali, l'egoismo, le nevrosi dei suoi personaggi sono in gran parte riconducibili alla natura stessa dell'autore" (S. 5: 'in einer weitgehend antiheroischen Autobiografie hat sich der Autor immer selbst in Szene gesetzt; die sexuellen Perversionen, der Egoismus, die Neurosen seiner Figuren sind zum großem Teil auf den Charakter des Autors selbst zurückzuführen'). In drei Kapiteln wird diese unbestreitbare Grundidee entfaltet: 1) in der Reflexion auf Doderers Auffassung von der individuellen Bestimmung des Menschen (insbesondere anhand von Die Bresche), 2) in der Auseinandersetzung mit dem Begriff 'Befangenheit' (Ein Umweg), 3) in einer breit angelegten Analyse von Ein Mord den jeder begeht, die ziemlich genau die Hälfte des ganzen Buches ausmacht. Großen Wert legt die italienische (Mit-)Übersetzerin von Victor Klemperers Tagebüchern (1933 - 45), die derzeit an ihrer Dissertation zu Heiner Müller arbeitet, auf Querverbindungen zwischen Doderer und anderen Dichtern und Denkern: Das Konzept der 'Menschwerdung' kommt im Hinblick auf Goethes Theorie und Praxis des 'Bildungsromans' zur Sprache; Jan Herzka, die Hauptfigur der Bresche, wird - in Anlehnung an Dietrich Weber - auf ähnliche Helden bei Hermann Hesse bezogen; Conrad Castiletz wird mit Peter Handkes ängstlichem Tormann Bloch in Verbindung gebracht.
Im guten Sinn hat die Studie über Biographie und Autobiographie als 'Gegenbild' in Doderers Frühwerk die entscheidenden Eigenschaften eines Erstlingswerks. Mag manches noch ein wenig bemüht wirken und das kommentierende Referat des Forschungstandes stärker im Vordergrund stehen als neue und eigenständige Thesen, so bietet Paola Quadrelli doch allemal eine zuverlässige Darstellung der wichtigsten Werke und Themen in Doderers ersten Publikationen und unterfüttert dies mit einer ausgesprochen soliden Auswertung der einschlägigen Sekundärliteratur. Daß das Buch nicht bloß mit einer brauchbaren Basis-Bibliographie, sondern auch mit einer konzisen "Cronologia" (den wichtigsten Daten zur Lebens- und Publikationsgeschichte Doderers) endet, bestätigt den sympathischen Anspruch der ganzen Studie, der Doderer-Forschung in Italien auf die Sprünge zu helfen und für den Autor zu werben.
Hierbei sollten die ausführlichen Primär-Zitate, die meist von der Verfasserin selbst (und in der Regel glücklich) ins Italienische übersetzt wurden, dienlich sein. Darauf zielt auch die abschließende Verteidigung (S. 142) gerade des Mord gegen Doderers oft schon getadelte "difetti ideologici" (,ideologische Schwachstellen'), nämlich Misogynie und Konservativismus: Kaum ein anderer Roman habe ähnlich scharf und eindringlich ("con tale nitidezza e incisività") die schädlichen Folgen einer bürgerlichen Erziehung 'verurteilt'; in den Erzählerkommentaren zur Beziehung zwischen Conrad Castiletz und Ida Plangl werde der männliche Egoismus einer nachdrücklichen Kritik unterzogen.

Albert Meier

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Erschienen in: "Schüsse ins Finstere". Zu Heimito von Doderers Kurzprosa. Hrsg. v. Gerald Sommer u. Kai Luehrs-Kaiser. Würzburg: Königshausen & Neumann 2001 (Schriften der Heimito von Doderer-Gesellschaft; 2), S. 272f. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages.

Copyright © Verlag Königshausen & Neumann GmbH, Würzburg 2001.
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