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Pia Janke: Werkverzeichnis Elfriede Jelinek.

Pia Janke: Werkverzeichnis Elfriede Jelinek. Unter Mitarbeit von Peter Clar, Heidemarie Farokhnia, Ute Huber, Stefanie Kaplan, Christoph Kepplinger, Christian Schenkermayr, Elisabeth Sezemsky u. Natalie Swoboda. Wien: Edition Praesens 2004. 659 S., Broschur, EUR 29,50 (A) / 28,70 (D)

Einen besseren Zeitpunkt hätte sich die Arbeitsgruppe für das Erscheinen ihres „Werkverzeichnisses Elfriede Jelinek“ nicht aussuchen können: Die Auszeichnung der österreichischen Autorin mit dem Nobelpreis für Literatur konnte vor Drucklegung gerade noch ins Vorwort eingebracht werden mit der Ankündigung, zu diesem Thema werde 2005 ein Sonderband nachgereicht. (Dieser ist inzwischen auch schon erschienen: Pia Janke: Literaturnobelpreis Elfriede Jelinek. Unter Mitarbeit von Peter Clar, Ute Huber, Stefanie Kaplan, Christoph Kepplinger, Christian Schenkermayr. Wien: Praesens Verlag 2005 [=Diskurse.Kontexte.Impulse; 1].) Wenn hier auch der Zufall Regie führte, erlebt das wissenschaftliche Interesse an der Schriftstellerin seit der Entscheidung der Königlich Schwedischen Akademie zweifellos einen weiteren Aufschwung. Ein vollständiges Verzeichnis der vorhandenen Materialien und eine gründliche Dokumentation der bisherigen Rezeption sind daher - als Zwischenbilanz - gerade jetzt von respektablem Gebrauchswert.

Beim ersten Durchblättern stellt sich zunächst der Verdacht hoffnungsloser Unübersichtlichkeit ein, der aber, hat man sich durch den praktischen Gebrauch erst einmal mit dem Buch vertraut gemacht, schnell wieder ausgeräumt ist. Die noch verbleibenden Orientierungsschwierigkeiten ergeben sich aus dem ungeheuren Umfang und der Heterogenität der Materie. Die Autoren versuchen, dem Problem durch ein präzises typographisches Schema und ein geschicktes System interner Verweise (in Form von Marginalien) entgegenzuarbeiten. Das erinnert zwar an einen verstümmelten Hypertext und läßt bisweilen den Wunsch nach elektronischer Verfügbarkeit der Daten aufkommen, dennoch wurde mit der herkömmlichen Drucklegung zweifellos der sicherere Weg beschritten, zumal etwa CD-ROMs sich in der Praxis zwar oft als hilfreich erweisen, die Hemmschwelle zur tatsächlichen Benützung aber leider merklich höher ist als beim herkömmlichen Buch.

Das Verzeichnis gliedert sich in sechs große Abschnitte: „Werke“, „Übersetzte Werke“, „Bearbeitung von anderen“, „Interviews mit Elfriede Jelinek“, „Literatur über Elfriede Jelinek“ sowie „Schwerpunktsendungen und Filme zu Elfriede Jelinek“. Angeschlossen ist ein Personenregister, wogegen ein alphabetisches Titelverzeichnis leider ausgespart geblieben ist, was sich in der Praxis als Mangel erweist: Wer etwa Informationen zu einem bestimmten Primärtext benötigt, muß wissen, wo er zu suchen hat.

Die innere Gliederung des ersten und weitaus größten Abschnitts „Werke“ (S. 21 - 314), primär nach Gattungen vorgenommen, zeigt die Vielfalt des Schaffens von Elfriede Jelinek: Lyrik (S. 21 - 37), Romane (S. 38 - 62), Kurzprosa (S. 63 - 76), Theatertexte (S. 77 - 131), Hörspiele (S. 132 - 167), Drehbücher (S. 168 - 175), Kompositionen (S. 176 - 180), Texte für Kompositionen (S. 181 - 183), Libretti (S. 184 - 198), Essayistische Texte, Reden und Stellungnahmen (S. 199 - 288), Übersetzungen (S. 289 - 306), Installationen (S. 307 - 310), Texte für Projektionen (S. 311 - 313) sowie Herausgebertätigkeit (S. 314).

Innerhalb der jeweiligen Gattung folgt das Verzeichnis der Chronologie (nach Erscheinungsdatum). Über die bibliographischen Basisdaten zum jeweiligen Werk hinaus werden je nach Gegenstand Informationen über Aufführungen, Sendungen, Produktionen, Würdigungen und Literaturpreise geboten und gegebenenfalls Kontexte oder Zusammenhänge mit anderen Texten dargestellt. Zur Illustration werden (bei den Großwerken generell, bei kleineren Arbeiten fallweise) Passagen aus den Primärtexten oder aus dazu passenden Interviews eingeschoben, zuweilen auch Faksimiles. Kurze Kommentare geben Hinweise zur Einordnung im Gesamtwerk sowie zur Textgestaltung, und das leider nicht immer ohne Irrtümer: Die Behauptung etwa, der frühe Roman Die Liebhaberinnen (1975) sei ohne Kommata gesetzt (vgl. S. 44), ist falsch.

Der zweite Abschnitt, „Übersetzte Werke“ (S. 315 - 330), nimmt den anläßlich des Nobelpreises laut gewordenen Unkenrufen, Jelineks Texte würden sich einer Übersetzung in andere Sprachen versperren, weitgehend den Wind aus den Segeln. Allein der Roman Die Klavierspielerin (1983) etwa wurde laut diesem Übersetzungsverzeichnis bereits in 19 Sprachen übertragen, darunter ins Griechische, Hebräische, Japanische, Koreanische, Kroatische, Rumänische, Russische und Ungarische. Bedauerlich ist, wie mühsam eine solche Zahl anhand des Verzeichnisses ermittelt werden muß: Die Werke sind in derselben Reihenfolge angeführt wie im ersten Abschnitt; zum einzelnen Werk vorhandene Übersetzungen nun werden nicht etwa nach Sprachen sortiert, sondern einfach in der Reihenfolge ihres Erscheinens aufgelistet. Dieses System kann dazu führen, daß ein und dieselbe Übersetzung mehrfach als je eigener Posten angesetzt wird: Tinke Davids’ Übertragung der Klavierspielerin ins Niederländische etwa (De Pianiste) ist 1987 bei Van Gennep erstmals erschienen, wurde 1989 im selben Verlag als Taschenbuchausgabe gedruckt und 1992 ein drittes Mal bei Rainbow Pocketboeken, wird also insgesamt dreimal angegeben. Ryszard Turczyns polnische Fassung des Romans wiederum (Pianistka) ist zunächst in einer Literaturzeitschrift auszugsweise erschienen. Die Auszugsveröffentlichung und die spätere Buchpublikation beanspruchen je einen eigenen Posten. Den Übertragungen in 19 Sprachen stehen damit 26 Posten gegenüber, was der Übersichtlichkeit nicht eben zuträglich ist.

Der dritte Abschnitt, „Bearbeitungen von anderen“ (S. 331 - 370; gemeint sind ,Bearbeitungen durch andere‘!), verzeichnet Comics, Dramatisierungen, Performances, Tanztheater, Hörspiele, Filme, Kompositionen und Opern, die auf Basis von Texten Jelineks entstanden sind. Hier ist der im Vorwort gegebene Hinweis wichtig, daß das Kriterium für die Aufnahme im vorliegenden Werkverzeichnis generell nicht die Drucklegung, sondern die Veröffentlichung im weiteren, gelegentlich eben auch ephemeren Sinne war. Szenische Fassungen verschiedener Romane beispielsweise hätten in eine herkömmliche Bibliographie nicht Eingang gefunden, sind hier aber angeführt. Für die Geschichtsschreibung der öffentlichen Rezeption ist das ein dankenswerter Schritt. Auch in diesem Abschnitt sind dann und wann Textpassagen (aus Arbeitskonzepten, Interviews, Zeitungsberichten o. ä.) eingeschoben, die geeignet sind, dem Leser das erfaßte Material zu veranschaulichen und näherzubringen.

Die Aufnahme von Interviews in einem Werkverzeichnis (vierter Abschnitt; S. 371 - 428) mag verwundern - ebenso wie vielleicht schon das Unterkapitel „Essayistische Texte, Reden und Stellungnahmen“ im Abschnitt „Werke“ -, rechtfertigt sich aber durch das Selbstverständnis Jelineks als politische Autorin sowie vor allem durch die in diesen Dokumenten enthaltenen Kommentare der Autorin zu ihrem (dezidiert) literarischen Werk. Zudem werden literarische Methoden allzu oft auch für diese Gebrauchstexte fruchtbar gemacht, was sogar für Interviews gelten kann, werden diese doch von Jelinek meist schriftlich (per E-Mail) gegeben. Die über die üblichen bibliographischen Angaben erfaßten Interviews sind nach Themen sortiert (was teils offensichtlich schwergefallen ist) und werden meist knapp kommentiert. Passagen aus inhaltlich oder personell gewichtigeren Interviews (etwa durch André Müller oder Marie-Thérèse Kerschbaumer) sind vereinzelt dazwischengestellt und lockern das Bild angenehm auf. Übrigens gerät die der alphabetischen Ordnung dienende Usance, bei der Verfasserangabe den Familiennamen dem durch ein Komma abgesetzten Vornamen voranzustellen, hier einmal mehr zur Unsitte: Da nicht alphabetisch gereiht wird, sondern chronologisch, dient das Verfahren einzig der Komplizierung.

Der fünfte Abschnitt, „Literatur über Elfriede Jelinek“ (S. 429 - 623), gehorcht wieder konventionelleren Konzeptionen eines Werkverzeichnisses. Er ist nach folgenden Kategorien geordnet: Bibliographien (S. 429 - 431), Lexikoneintragungen (S. 431 - 435), Websites (S. 435 - 437), Beiträge in Literaturgeschichten (S. 437 - 438), Sammelbände (S. 439 - 444), Zur Person (S. 444 - 451), Preise und Preisverleihungen (S. 451 - 459), Symposien und Schwerpunkte (S. 460 - 465), Allgemeine Sekundärliteratur (S. 465 - 481), Einzelne Gattungen und Werke (S. 481 - 620) sowie Thematisierung der Rezeption (S. 620 - 623). Die Einträge sind hier (mit sinnvollen Ausnahmen) alphabetisch geordnet. Die von Werk zu Werk (auch hier ist die Reihenfolge wieder analog zum ersten Abschnitt) länger werdenden Rezensionslisten veranschaulichen das wachsende Interesse der Öffentlichkeit an der Schriftstellerin. Das Verzeichnis der Forschungsliteratur zeigt, daß die literaturwissenschaftliche Jelinek-Rezeption schon jetzt weit fortgeschritten ist, wenngleich in dieser vorläufigen Bilanz auch Defizite bei einzelnen Werken erkennbar werden, denen starke Konzentrationen auf andere Werke gegenüberstehen. Die Rezeption der Lyrik beispielsweise hat sich bislang einzig in einer völlig singulär dastehenden Dissertation niedergeschlagen, und zu Jelineks erster großer Prosaarbeit, ihrem Hörroman bukolit (abgeschlossen 1968, erschienen 1979), liegen laut Verzeichnis überhaupt lediglich sieben Rezensionen vor. Dem stehen oft seitenlange Listen von wissenschaftlicher Literatur über spätere Romane oder Dramentexte gegenüber. Die Statistik im größeren Stil fällt leider auch hier wieder schwer, da auf die in Bibliographien sonst üblichen laufenden Nummern für den gesamten Band verzichtet worden ist; zumindest bei der Sekundärliteratur ist das sehr zu bedauern.

Der sechste Abschnitt, „Schwerpunktsendungen und Filme zu Elfriede Jelinek“ (S. 624 - 629), ergänzt das Bild um ein Verzeichnis von Radio- und Fernsehinterviews und -porträts sowie Filmprojekte über die Autorin und stellt am deutlichsten die Einteilung des Verzeichnisses in Frage. Warum dieser bloß sechs Seiten starke Teil eine eigene Kategorie beansprucht und nicht dem fünften Abschnitt, „Literatur über Elfriede Jelinek“, zugeordnet (und dieser anders benannt) werden konnte, bleibt unklar. Das Material hätte hierher nicht schlechter gepaßt als etwa die Literaturpreise, die ebenfalls dem fünften Abschnitt zugeschlagen wurden und mindestens ebenso wenig als Literatur zu bezeichnen sind wie Radio- oder Fernsehsendungen.

Trotz aller zu kritisierenden Schwächen in der Ausführung, deren Behebung für die im Vorwort angekündigten überarbeiteten Auflagen anzuregen wäre, wird sich der aufwendig und penibel recherchierte, ansprechend gestaltete Band für die weitere Forschung über Elfriede Jelinek zweifellos als unabdingbares Hilfsmittel erweisen. Er darf im übrigen auch als Anregung zu ähnlichen Projekten über andere Schriftsteller verstanden werden. Die Sinnhaftigkeit eines solchen wissenschaftlichen Hilfsmittels steigt und fällt freilich mit dem Umfang und der formalen wie medialen Streuung eines Personenwerks; diese Parameter sind im Falle Jelinek als ungewöhnlich hoch zu veranschlagen.

Stefan Winterstein

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Copyright © Stefan Winterstein, Wien 2005.
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