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Su-Jin Lee: Heimito von Doderers Roman Die Wasserfälle von Slunj

Su-Jin Lee: Heimito von Doderers Roman Die Wasserfälle von Slunj: eine sprachwissenschaftliche Untersuchung zum österreichischen Deutsch. Frankfurt a. M. [etc.]: Peter Lang 2000 (Schriften zur deutschen Sprache in Österreich, 29). 311 S., Broschur, EUR 52,- SFr 76,-

Diese 1997 an der Universität Wien verteidigte Dissertation visiert Doderers letzten vollendeten Roman Die Wasserfälle von Slunj (1963) aus sprachwissenschaftlich-textlinguistischer Perspektive an und interessiert sich dabei primär für die Austriazität dieses Werkes.

Die Verfasserin widmet sich zunächst der Frage nach den Mitteln der Referenz auf die außersprachliche Welt und insbesondere der Zeit- und Ortsreferenz. Sie bemerkt zu Recht die für einen Erzähltext ungewöhnliche Häufigkeit der Tempora der besprochenen Welt (H. Weinrich), welche die zahlreichen Eingriffe des Erzählers belegen, wie dies Lutz-Werner Wolff bereits 1969 in seiner Monographie Wiedereroberte Außenwelt. Studien zur Erzählweise Heimito von Doderers am Beispiel des „Romans No 7“ festgestellt hatte. Anschließend werden Aspekte der Kohärenz und Kohäsion des Textes behandelt, und zwar mit Hinweis auf die Funktion von Pronomen und Substitutionen, von Wiederholungen und Wiederaufnahmen auf lexikalischer, phonologischer und syntaktischer Ebene. Einige Isotopien werden etwas näher betrachtet, so die Farbe Blau, die, nach Lee, die Apperzeptionsfähigkeit von bestimmten Gestalten signalisieren soll, oder die Vielfalt an Gerüchen mit ihren jeweiligen positiven oder negativen Konnotationen.

Auch der Wortschatz im Roman wird zunächst allgemein analysiert, am Beispiel der Diminutivbildung, der Neologismen (mit dem sehr produktiven „Hausmeister“) und der Schöpfung und Verwendung von expressiven Wortpaaren wie „dampfend und duftend“, bevor der spezifische Wortschatz der im Roman besonders vertretenen gesellschaftlichen Gruppen unter die Lupe genommen wird, wobei die zahlreichen Austriazismen meist durch Anführungszeichen als solche gekennzeichnet werden. Der Wiener Dialekt erscheint zwar nur punktuell im Roman, aber seine Anwesenheit in Verbindung mit englischen, französischen oder tschechischen Einsprengseln führt die Verfasserin dazu, für diesen Roman Mehrsprachigkeit zu reklamieren, die sie schließlich auf den Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn zurückführt und auf Doderers Sehnsucht nach der Habsburgermonarchie vor 1914. Dies wiederum sei, so Lee weiter, charakteristisch für eine österreichische Tendenz, die Zeit von 1933 bis 1945 zu verdrängen.

Leider kann diese Arbeit nichts Neues weder zum „österreichischen Deutsch“ noch zu den Wasserfällen von Slunj beisteuern, da die Argumentation auf einer zu allgemeinen Ebene bleibt, und an die Stelle der Erklärung die Aufzählung tritt: Immer wieder kommt es zu Anhäufungen von Zitaten, die bis zu sieben Seiten umfassen (vgl. S. 129 - 136 über das Riechen), und die auch noch durch ein 42-seitiges Glossar mit 355 Austriazismen (vgl. S. 247 - 288) ergänzt bzw. verdoppelt werden! Noch bedenklicher ist jedoch, daß gegenüber diesem schon an sich erdrückenden Belegmaterial die Analysen stets zu kurz und banal ausfallen, ja manchmal klischeehaft wirken. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß es bei dieser Studie im Grunde darum geht, allgemeine Kategorien der Textanalyse (Referenz, Kohärenz, Isotopie, Polyphonie) vorzustellen und anhand von Beispielen zu veranschaulichen, und daß der literarische Text im Grunde nur als Vorwand dient und letztlich bloß eine Zitatenquelle ist.

Éric Chevrel

Mail an den Rezensenten

Erschienen in: Gassen und Landschaften: Heimito von Doderers „Dämonen“ vom Zentrum und vom Rande aus betrachtet. Hrsg. v. Gerald Sommer. Würzburg 2004 (Schriften der Heimito von Doderer-Gesellschaft; 3), S. 473f. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages.

Copyright © Verlag Königshausen & Neumann GmbH, Würzburg 2004.

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